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Jubiläum: 10 Jahre Werdenfelser Weg
Vor zehn Jahren starteten die Initiatoren Dr. Sebastian Kirsch, Richter am Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen, und Josef Wassermann, Leiter der Betreuungsbehörde im Landratsamt Garmisch-Partenkirchen, den „Werdenfelser Weg", welcher das Ziel hat, die Schwächsten der Gesellschaft zu schützen und vermeidbare, freiheitseinschränkende Maßnahmen (feM) zu unterbinden. Das Herzstück dieses Konzeptes ist ein bundesweites Netzwerk bestehend aus Richtern, Verfahrenspflegern, Behörden, Betreuern, Heimleitern, Ärzten und Interessierten, um sich zu Themen bezüglich feM zu informieren und auszutauschen. Die „Bewahrung vor jeglicher Form der Demütigung" sei laut Wassermann die gemeinsame Aufgabe aller Beteiligten. Mit zwei staatlichen Auszeichnungen, der Bayerischen Justizmedaille und einer Anerkennung im Rahmen des Bayerischen Demenzpreises, wurden die Bemühungen der Initiatoren im Laufe der Jahre gewürdigt. Doch es sind die Fachtage, die „uns motivieren weiterzumachen", so Wassermann.
Dass sich das Weitermachen gelohnt hat, zeigt das neue Bundesgesetz, das ab 01.10.2017 in Kraft tritt. Demnach soll der Schutz von Kindern und Jugendlichen in Krankenhäusern und Heimen verbessert werden. In Zukunft ist auch bei Minderjährigen eine Genehmigung des Familiengerichts erforderlich, wenn freiheitsentziehende Maßnahmen, wie die Anbringung eines Bettgitters, vorgenommen werden sollen. Selbige Maßnahmen sollen außerdem auf sechs Monate, in besonders schwerwiegenden Fällen auf ein Jahr, zeitlich begrenzt werden.
Dr. Sebastian Kirsch hatte des Weiteren die Möglichkeit, an der Entwicklung eines 10-Punkte-Planes des bayerischen Sozialministeriums mitzuwirken, welcher als Reaktion auf Missstände in Einrichtungen für Kinder und Jugendliche mit Behinderung ausgearbeitet wurde. So wurden die Heimrichtlinien überarbeitet, die Personalausstattung verbessert und die Elternbeteiligung gestärkt. Für 2018 ist ein eigener Fachtag für diesen Bereich in Planung.
In den zehn Jahren „Werdenfelser Weg" wurde bei insgesamt fünf Fachtagen nach Konzepten und praxisnahen Lösungen für ein möglichst freies Leben der betroffenen Menschen gesucht. In Zusammenarbeit mit der Katholischen Stiftungsfachhochschule und dem Institut für Fort- und Weiterbildung, Forschung und Entwicklung widmete sich der diesjährige Fachtag dem Thema „Herausforderndes Verhalten" im Bereich der Altenpflege und Behindertenhilfe für Kinder- und Jugendliche. Beeindruckend dabei ist die Teilnehmerzahl, die mit 380 Personen den ersten Fachtag aus dem Jahr 2013 mit 180 Teilnehmern weit übersteigt und wiederum die erfolgreiche Entwicklung des „Werdenfelser Weges" aufzeigt. Insgesamt kamen 1400 Menschen zu den bisherigen Fachtagen.
Dieses Jahr sprachen Experten unterschiedlichster Profession über das Verhalten hilfsbedürftiger Menschen, das von ihren Betreuern nicht selten missinterpretiert werde, und stellten individuelle Lösungsansätze zur Vermeidung freiheitsentziehender Maßnahmen vor. So sei es beispielsweise wichtig sich selbst zu fragen, was die Person mit ihrem herausfordernden Verhalten, wie Schreien, Beschimpfen oder Schlagen, mitteilen will. Statt auf Bestrafungen solle das Augenmerk auf positive Verhaltensunterstützung gelegt werden. Außerdem gebe es laut Grundgesetz auch die Freiheit, sich unvernünftig zu verhalten. Falls manchen Wünschen doch nicht entsprochen werden könne, sei es wichtig, den Grund einfühlsam zu erläutern und vor allem mit den Menschen in Beziehung zu treten, bevor gehandelt wird.
Im Idealfall führt der Fachtag neben dem Wissenstransfer zu einer selbstkritischen Reflexion der eigenen Arbeit und trägt dazu bei, das Konzept des „Werdenfelser Weges" weiterhin in die Realität umzusetzen, damit die Schwächsten der Gesellschaft auch in Zukunft geschützt werden.